Freitag, 25. Mai 2012

Projekt Kind

Wenn es danach geht, was ich jeden Tag in meinem Lädchen erlebe, muss jedes zweite Kind hochintelligent sein. Wie oft höre ich Sätze wie: "Ich suche etwas für einen zweieinhalbjährigen Jungen, der schon ganz viel gelesen(!) hat. Die Eltern sind Pädagogen/Psychologen/Intellektuelle, daher bitte etwas Anspruchsvolles."
Nur ja nicht zugeben, dass der Kleine in Wirklichkeit gerne Wimmel-Bilderbücher anschaut oder auf Dinosaurier/Feuerwehrautos/Müllwagen steht.
Aber gestern habe ich ein solches Kind mal kennengelernt.
Ein zuckersüßes Mädchen im rosa Sommerkleidchen, keine drei Jahre alt.
Die Nanny spricht nur Englisch mit ihr, Mama Französisch, Papa Deutsch. Sie liest bereits Bücher in Silben und solche, in denen  einzelne Wörter durch kleine Bildchen ersetzt werden. Alles was sie nicht weiter fördert oder voran bringt, ist verboten. Familie und Freunde dürfen keine Geschenke mehr machen, weil sie nicht wissen, was das Kind haben darf.
Eigentlich soll das Mädchen in den Kindergarten, aber die anderen Kinder lernen ja gerade erst die Farben. Also was soll es dort, völlig unterfordert.
Das Kind wird so mit Wissen gefüttert, dass es all die Informationen anscheinend gar nicht verarbeiten kann. Da klaut Pumuckl in der Erinnerung auch schon mal die Punkte des Marienkäfers aus den Erdbeerinchen-Erdbeerfee-Büchern.
Ich weiß das alles, weil das Beratungsgespräch, das mich an den Rand meiner buchhändlerischen Fähigkeiten gebracht hat, über eine halbe Stunde gedauert hat.
Die Eltern waren wirklich nett und offensichtlich froh, einen kleinen Laden gefunden zu haben, in dem sich jemand die Zeit nimmt, für dieses "Problem" eine Lösung zu finden, ich aber habe Blut und Wasser geschwitzt, um nur ja nichts falsch zu machen.
Einerseits war ich fasziniert, andererseits tat mir das Kind aber auch leid.
Wie es sehnsüchtig nach Papp-Bilderbüchern schielte, auf denen es verführerisch glitzerte... Verbotene Frucht.


Ich wünsch' Euch ein sommersonniges Wochenende,


Andrea

4 Kommentare:

  1. Oh Mann! Das arme Mädchen! Unsere Tochter ist 21 Monate alt und liiiiiiiiiebt ihre Bilderbücher über alles! Wenn wir Nachmittags von der Kita nach Hause kommen ist das erste was sie sagt: Buch gucken! Und ich freue mich wie Bolle darüber!!

    Schönes langes WE

    Wünscht

    Tanja

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  2. Schlimm.
    Ganz, ganz schlimm!
    Warum machen Eltern sowas?
    Warum lassen sie ihr Kind nicht Kind sein und fördern es - wie "normale" Mensdhen - im Spiel?

    Gibt es nicht einen Ratgeber für übermotivierte Eltern? Vielleicht solltes Du den mal ins Schaufenster legen. Möglicherweise kapieren sie noch was?!

    Nee, über sowas könnte ich mich aufregen..!
    Ganz anderes Beispiel, gleiche Auswirkung: die Schwester eines guten Freundes gehört irgend einer obskuren Glaubensgemeinschaft an, wo weder Weihnachten noch Geburtstag oder sonst was heidnisches celebriert wird. Die Kinder dürfen mit solchen Festen nicht in Berührung kommen. Sprich: Familienfeste fallen flach. Steht in der Schule weihnachtliches oder österliches auf den Plan, bleiben die Kinder halt daheim.
    Dass sie damit nicht nur ständig Unterricht verpassen, sondern sich auch vor der ganzen Klasse zum Vollhorst machen, ist Mutti egal. Aber sowas von! Blöde Kuh!

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  3. Armes Kind, hoffentlich bereuen die Eltern das nicht irgendwann.
    Ist ja toll, wenn man sein Kind fördert, aber es sollte doch trotzdem nnoch Kind sein dürfen.
    Mich würde dieser Wettstreit echt anstrengen, ich war schon genervt, als ein Kollege mich ständig fragte ob meine Nichte schon krabbelt, läuft, spricht etc., weil seine Tochter das ja alles gaaanz toll kann...*gääähn* Klar das die Lütte in eine Tagesstätte kam für unter Einjährige und da bis nachmittags ganz toll gefördert wird.

    Lg,Bianca, die echt erst in der ersten Klasse schreiben und lesen lernte :)

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  4. Was ich besonders schlimm fand, war die Art, wie das Kind permanent korrigiert wurde. Sagte es "Dinosauriers", kam als Reaktion "Wie heißt es richtig? Di-no-sau-rier!" Oder dass Bücher-Gucken zur reinen Lehrstunde wird. Beim Zeigen auf ein Eichhörnchen: "Wie sagt Mommy dazu? Und Daddy? Und Nanny?"
    Die Mutter erzählte, dass die Kleine mit 18 Monaten angefangen hat zu lesen. Aber funktioniert das wirklich? Ohne Anleitung? Mit 18 Monaten?
    Ich schwör Euch, ich war fix und fertig, als die Familie aus dem Laden war.
    Zum Glück wachsen die meisten Kinder ja doch ganz "normal" auf. Und das Verkaufen von Kinderbüchern macht bei solchen Kindern dann auch viel mehr Spaß.
    Habt ein schönes Wochenende,
    Andrea

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